Die marxistische Familienzerstörung unter Lenin und Stalin

Lenin und Stalin setzten die Zerstörung der Familie um, die Karl Marx verkündet hatte.

Lenin und Stalin setzten die Zerstörung der Familie um, die Karl Marx verkündet hatte.

Im Jahr seines 200. Geburtstags wird Karl Marx von kirchlichen und weltlichen Repräsentanten reingewaschen von aller Schuld für die marxistischen Menschheits­verbrechen. Kardinal Reinhard Marx meinte, der Begründer des Marxismus sei nicht verantwortlich für die Untaten von Lenin und Stalin. Doch die beiden Sowjet­führer haben vielfach nur umgesetzt, was Karl Marx mit seinen Schriften propagierte und anregte – z. B. zum Thema Familien­zerstörung.

Kürzlich zeigte ein ZDF-Film den Revolutions­propagandisten Karl Marx als biederen Familien­menschen. Die weich­gezeichneten Marx-Bilder sollten vergessen machen, dass dessen radikale Thesen nicht nur moralisch-politisch, sondern auch gesellschaftlich auf einen Zivilisations­bruch hinzielten.

Marx schrieb in seiner 4. These über Feuerbach:

„… die Familie … muss theoretisch und praktisch vernichtet werden.“

An anderer Stelle erläuterte Marx seine Vernichtungs­vision:

„Mit dem Zerfall des Kapitalismus wird auch die Basis der Familie zerstört werden. Wir werden dieses heiligste Bündnis, diese heiligste Verbindung, zerstören und die Familien­erziehung durch die Gesellschafts­erziehung ersetzen.“

Der Marx-Schüler Wladimir Iljitsch Lenin übernahm die gesellschaftspolitischen Umwertungs­thesen von seinem Lehrmeister und übertrug sie nach der Oktober­revolution von 1917 auf die russische Gesellschaft: Religion und Familie als Hort der Reaktion müssten vernichtet werden.

Die Bolschewisten konnten die orthodoxe Kirche in den Jahren des Bürgerkriegs, der Hungersnot und des Chaos plündern, ohne dass die Welt­öffentlichkeit das wahrnahm. Die Geistlichkeit sollte mit einer „Grausamkeit terrorisiert werden, die sie jahrelang nicht vergessen wird“, schrieb Lenin am 19. März 1922.

Das Programm der Familienvernichtung leitete der Bolschewiken­führer damit ein, dass die Ehe als Basis der Familie ihrer sittlichen und religiösen Verbindlichkeit beraubt wurde. Die bisher „heiligste Verbindung“ sollte zu einer beliebigen Form des Zusammenlebens banalisiert werden. Dazu wurde die Zivil­registrierung der Eheschließung eingeführt, die Scheidung leicht gemacht und die Abtreibung auf Staats­kosten propagiert.

Ab 1925 ordnete Lenins Nachfolger Josef Stalin eine planmäßige und landesweite Kampagne gegen die bürgerliche Familie an. In der Haupt­stoß­richtung sollten Mädchen, Frauen und Müttern die Liebe zu Kindern sowie das Kümmern um Erziehung und Aufzucht der Kleinen ausgetrieben werden. Heimgestaltung und Hausarbeit wurden schlecht­geredet. Die Frauen sollten sich in den staatlichen Arbeits­prozess einspannen lassen. In dem gängigen Schulbuch „Geschichte und Geschehen 4“ aus dem Klettverlag wird die Durchführung der stalinistischen Anti-Familien-Politik positiv kommentiert.

Auf S. 70 ist ein Jubelbericht über die „Kraft­quellen der Sowjetunion“ abgedruckt. Darin beschreibt der amerikanische Kommunist John Scott sein Leben als Werkführer in der Retortenstadt für Schwer­industrie Magnitogorsk. Er lebte dort mit seiner russischen Frau Mascha zusammen, die als Lehrerin arbeitete.

In Scotts Bericht heißt es:

„Mascha war typisch für eine ganze Generation junger Sowjetfrauen, die die umfassenden Ausbildungs­möglich­keiten, die ihnen geboten wurden, ausnutzten und gebildete Berufs­frauen wurden (…). Sie waren in den zwanziger Jahren mit Propaganda über die Beseitigung der bürgerlichen Familie als Institution überschüttet worden. Mit Kochen, Abwaschen und Nähen sollten sie sich so wenig wie möglich befassen. Solche Aufgaben waren für die Dienstboten da, die nicht genügend Intelligenz besaßen oder nicht genug Schulung hatten, um einen anderen Beruf auszuüben“.

Der Text macht eine verräterische Unterscheidung: Nicht alle Frauen sollten durch das sozialistische Emanzipations­programm beglückt und von Kinder­erziehung und Hausarbeit befreit werden. Nur die „Sowjetfrauen“, die sich dem stalinistischen System ein- und unter­ordneten, bekamen diese Privilegien durch Ausbildung und Beruf – allerdings auf Kosten der Dienstboten-Frauen mit ungenügender Intelligenz und mangelnder Schulung. Scott beschreibt weiter, dass das junge Ehepaar nach der Geburt ihrer Tochter eine entsprechende Dienst­boten­frau gefunden hätte, „ein ideales Mädchen, das sich unseres etwas verwahrlosten Haushaltes annahm“ und sich auch um das Kleinkind kümmerte, so dass Mascha recht bald wieder voll als Lehrerin arbeiten konnte.

Aber wer waren die Dienst­boten­frauen, auf deren Kosten sich die Sowjetfrauen emanzipieren konnten? Die Schul­buch­macher haben die Hintergrund­informationen zu dem Dienst­boten­mädchen sorgfältig heraus­geschnitten: Das „ideale“ Haushalts­mädchen Vera war die Tochter eines enteigneten und verbannten Kulaken.

Stalin hatte ab 1930 eine Terror­kampagne gegen die russischen Mittelbauern befohlen, um ihre Länder für die Errichtung riesiger Kolchosen und Sowchosen zu enteignen. Bei diesem staatlichen Krieg gegen die eigene Bevölkerung wurden Hundert­tausende erschossen oder deportiert. Als Folge der Enteignungen nahm der sozialistische Diktator eine Hungersnot von mehreren Millionen Menschen in Kauf, den „Holodomor“. Die noch arbeits­fähigen Verbannten landeten in den Arbeits­sklaven­lager der industriellen Großprojekte in Sibirien – so auch die Familie der Kulaken-Tochter Vera.

Scott beschönigt den stalinistischen Terror gegen die Bauern mit der vorgeschriebenen Propaganda­formel, dass diese Menschen „aus den ihrer Privilegien beraubten Schichten“ entstammten. Der Familie wurde nach ihrer Verbannung nach Magnitogorsk im Winter 1930 nur ein Zelt zum Leben überlassen, so dass die Mutter, ein Bruder und eine Schwester von Vera starben. Sie selbst überlebte und hatte das „Glück“, in der Dienst­boten­stellung für eine Sowjetfrau den Haushalt zu führen und das Kleinkind zu betreuen.

Stalinistisches Propagandaplakat von 1930

Stalinistisches Propagandaplakat von 1930

In dem sozialistische Emanzipations­programm spiegelte sich die soziale Dimension der sozialistischen Diktatur nach Klassen­gesichts­punkten wider: Die (proletarischen) „Sowjetfrauen“, die sich dem stalinistischen System unterwarfen, bekamen Privilegien durch Ausbildung und Beruf. Die Mädchen und Frauen aus den Schichten der ehemaligen Bauern und Bürger wurden zu niedrigen Dienst-Existenzen herab­gedrückt.

Von dieser gesellschaftlichen Wirklichkeit wurde in der staatlich gelenkten Presse allerdings nicht berichtet. In der Öffentlichkeit propagierten die Sowjets die Version, wie sie auf dem im Schulbuch S. 70 abgedruckten Plakat zum Ausdruck kommt: „Beim Studium an der Werkbank, im gesellschaftlichen Leben – ein Netz aus Kinder­gärten und Gemeinschafts­kantinen werfen wir weit aus – machen Millionen Frauen frei für den sozialistischen Aufbau“ – so die Übersetzung der kyrillischen Plakat­inschrift.

Mit Krippen und Kantinen sollten also die Mütter befreit werden von Hausarbeit, Kinder­aufzucht und -erziehung in den Familien, um in den Fabriken Schrauben zu drehen und Muttern zu zeichnen. Damit sollte zugleich der Lebensraum der Institution Familie zu einer Schlaf­gemein­schaft entleert und somit zerstört werden. Diese „Vernichtung der Familie“, wie Marx es nannte, ließ Stalin als Emanzipation der Frauen verkaufen. Allerdings musste die neue Freiheit von familiären Diensten mit dem System der staatlichen Zwangs­wirtschaft eingetauscht werden. Das rudimentäre Familien­leben war in völliger Abhängigkeit von den „sozialistischen Arbeits­anforderungen“ zu gestalten.

Frauen als Dreschmaschinen-Zuarbeiterinnen Kolchos um 1930

Frauen als Dreschmaschinen-Zuarbeiterinnen in der Kolchos; Plakat zur „Kollektivierung“ um 1930

Schwangerschaften mussten mit der staatlichen Arbeits­verwaltung abgestimmt werden – bei Plan­rück­ständen drängten die Planungs­leiter zur Abtreibung. Bald nach der Geburt wurden die Mütter gezwungen, ihre Kleinkinder in die Krippe zur gesellschaftlichen Erziehung abzuliefern. Diesem Zwang zur Kinder­ablieferung entsprach der Zwang, für den Sozialismus als Traktoristin, Maschinen­bedienerin oder in Stoßbrigaden zu arbeiten.

In der Aufgabenstellung legt das Schulbuch den Schülern nahe, die „stalinistische Frauen- und Familien­politik als ein Beitrag zur Emanzipation“ zu sehen. Mit der Ausblendung des allseitigen bolschewistischen Zwangs­systems sollen die Schüler offenbar zu einem positiven Urteil über die stalinistische Familien­politik angeleitet werden. Frauen im heutigen Russland sehen das ganz anders. „Die Zarin der intellektuellen Szene Russlands“, Irina Dmitrejewna Prochorowa sagte laut FAZ vom 17. Juli 2010:

„Zu sowjetischen Zeiten träumten die Russinnen vom Hausfrauen­dasein. Ihr Recht auf Werktätigkeit empfanden sie weniger als Errungenschaft denn als Verlust von Weiblichkeit.“

Im Gegensatz zu dem Quellentext von J. Scott sowie den Propaganda­plakaten, nach denen die Frauen als Werktätige von Hausarbeit und häuslicher Kinder­erziehung befreit werden sollten, behauptet der Autorentext auf S. 66: „Die vorbildliche Sowjet­bürgerin sollte sich nicht nur für die sozialistische Sache engagieren, sondern auch aufopfernde Mutter sein.“

Tatsächlich vermischt der Schulbuchtext mit diesem Satz zwei völlig unterschiedliche Phasen der stalinistischen Frauen- und Familien­politik. Bis Mitte der 30er Jahre galten die oben beschriebenen Maximen: Die Sowjetbürgerin sollte aus den Fesseln der bürgerlichen Familie und ihren Pflichten befreit werden. Dazu sollten die Kinder­betreuungs­einrichtungen und Bildungs­stätten dienen.

Im Laufe des ersten Fünfjahresplans 1927/28 bis 1932 setzte die sowjetische Führungsriege in vielen gesellschaftlichen Bereichen rigide Neu­aus­richtungen durch.

  • In den 20er Jahren hatten Reform­pädagogen therapeutische Kommunen zur Resozialisierung verwahrloster und krimineller Jugendlicher eingerichtet. Ab 1930 favorisierte die Sowjet­führung eher eine autoritär-militaristische Kommando­pädagogik.
  • Die Schriftsteller hatten als „Ingenieure der menschlichen Seele“ (Stalin) allein dem werktätigen Aufbau zu dienen.
  • Bei den Bildungseinrichtungen stand nicht mehr der Emanzipations­gedanke im Vordergrund, sondern sie sollten „neue Kommandeure für die Wirtschaft“ zurichten.

Das Jahr 1936 mit den großen Säuberungen, Prozessen und Massen­hinrichtungen markierte auch eine Krise der stalinistischen Gesellschafts­politik. Es zeigten sich die katastrophalen Auswirkungen, die von der bolschewistischen Anti-Familien­politik ausgingen: Zunahme von Scheidungen und Abtreibung, Absacken der Geburtenrate, neue Verwahrlosung von Jugendlichen, Unzufriedenheit der Frauen.

Auf diesem Hintergrund wurden die Leitlinien der sozialistischen Frauen- und Familien­politik völlig verändert – praktisch ins Gegenteil gewendet. Die These Friedrich Engels vom „Absterben der Familie“ im Sozialismus wurde offiziell als schädlich und falsch erklärt. Festigung und Stärkung der sozialistischen Familie hieß nun die neue Partei-Parole. Dazu wurden Scheidungen beträchtlich erschwert. Ein Gesetz von 1936 stellte ein faktisches Verbot der Abtreibung dar – Ausnahmen nur noch bei strenger medizinischer Indikation. Das Abtreibungs­verbot wurde mit einer bemerkenswerten Aussage begründet: Es gebe „zahlreiche Erklärungen werktätiger Frauen über die Schädlichkeit der Abtreibung“ – so die kommunistische Funktionärin Krupskaja.

„Die Frau muss in erster Linie Mutter sein“, hieß es in einer Verlautbarung von 1936, „sie muss diejenige sein, die das häusliche Leben behaglich macht – ohne sich von der gesellschaftlichen Arbeit zurückzuziehen.“ Nunmehr wurde „die so genannte freie Liebe und ein unordentliches Sexualleben als durch und durch bourgeois“ erklärt, während man das Ideal der sozialistischen Ehe und Familie in der monogamen, kinder­bereiten Ehe sah.

Diese radikale familienpolitische Umorientierung knüpfte an die alte russische Tradition an, in der Familien­zusammenhalt und mütterliche Erziehung eine heraus­ragende Bedeutung hatte. Aber das konnte die herrschende Funktionärs­klasse niemals zugeben. Sie musste neue funktional-politische Begründungen und Zielsetzungen für die familien­politische Kehrtwende erfinden. „Wir müssen unsere Familien wieder schützen“, schrieb ein Leitartikler in der Prawda vom 28. Mai 1936 mit dem Zusatz, „dass sie gesunde sowjetische Helden ernähren und großziehen kann.“

Die neue stalinistische Familienpolitik fuhr ab Mitte der 30er Jahre zweigleisig. Die unübertroffene Kompetenz der Familie für Ernährung, Gesundheit und Erziehung der Kinder sollte stärker genutzt werden, um besseres Menschen­material für die Produktions­betriebe, Staats­verwaltung und Militär zu erhalten. Zugleich baute man die begleitende staatliche Kinder­erziehung aus, etwa durch die Erhöhung der Zahl der Krippen­plätze auf 5,6 Millionen im Jahr 1935.

Ein weiteres demographisches Ziel war die Steigerung der zu gebärenden Kinder. Mütter mit mehr als sechs Kindern ließ Stalin mit Prämien­zahlungen und Ehrungen zu „Helden­müttern“ hochstilisieren. Der Orden „Mutterheldin“ wurde kreiert. Mit dieser Helden­ehrung wurden die späteren Helden des Krieges und der Arbeit präfiguriert.

In dem bevölkerungspolitischen Ziel, die Zahl der zukünftigen Heldenkinder zu steigern, unterschied sich die stalinistische Familien­politik nicht substantiell von der Nazi-Politik. Vermutlich hatten die Nazis die Prämierung einer hohen Kinderzahl mit dem Mutterkreuz-Orden von der stalinistischen Ehrungspraxis abgeschaut. Darüber hinaus war die Einführung des Mutterkreuzes im Dezember 1938 erkennbar mit der national­sozialistischen Kriegs­vorbereitungs­phase verknüpft.

Die Ehrung von Vielgebärenden war eine der vielen überraschenden System­ähnlichkeiten, die die Delegation der NS-Regierung im August 1939 bei der Verhandlung zum Hitler-Stalin-Paktes in Moskau entdeckte.

Text: Hubert Hecker
Bild: Autor

Die marxistische Familienzerstörung unter Lenin und Stalin, Katholisches am 25. August 2018