Claus, oder: Gerade die netten Männer kriegen einen Tritt in den Hintern

Claus

Eine Kurzgeschichte von Detlef Bräunig

Claus hat mit Anfang 30 seine Freundin geheiratet und mit ihr drei Töchter gezeugt. Seinen Job als Bauleiter machte er prächtig und verdiente nicht schlecht. Er kaufte ein Haus und baute es um, es fehlte an nichts. Die Freizeit als Bauleiter ist immer recht knapp, aber jede freie Minute verbrachte Claus mit seiner Familie. Sein Einkommen sah er stets als Familien­einkommen an und für sich selbst blieb nie etwas übrig.

Claus wurde gerade 40 als seine Ehefrau ihm offenbarte, dass er seine Sachen zu packen hat und das gemeinsame Haus verlassen muss. Sie hat ihre große Liebe gefunden und deswegen bekam Claus einen Tritt in den Hintern. Nun ist Claus verantwortungs­bewusst und er zahlt immer brav und pünktlich den festgelegten Unterhalt. Sein verfügbares Einkommen schrumpfte auf unter 1.200,- €. Nein, Claus mutierte nicht zu einem Unterhalts­preller, denn er liebt seine Kinder. Ja, es wurmt ihm sehr, dass der neue Lover in sein Haus eingezogen ist und nun seine Ehefrau schmiert. Aber er kann nichts dagegen machen.

Heute ist Claus 53 Jahre alt. Seine drei Töchter sind gut in der Schule. Sie werden studieren und deswegen wird Claus noch viele Jahre ein Unterhaltszahler sein dürfen. In der Zwischenzeit hat Claus neu geheiratet. Das war vor 8 Jahren. Seine neue Ehefrau ist 12 Jahre jünger und hat einen knackigen Hintern. Sein Sohn wird nun 7 Jahre alt und Claus ist glücklich. Seine neue Ehefrau hat sein schmales Gehalt akzeptiert und grosszügig wie Claus ist, investierte er sein bisschen Hab und Gut in seine neue Familie.

Seine Ehefrau ist vor kurzem zu einem Seminar nach Frankfurt gefahren. Über eine Woche war sie weg und als sie nach Hause zurückkehrte, war sie merkwürdig. Einige Tage später offenbarte sie ihm, dass sie sich verliebt hätte. Claus muss nun in einigen Tagen ausziehen, denn seine Ehefrau hat die Beziehung beendet.

Claus ist am Boden zerstört. Was hat er nur falsch gemacht? Nun haut er sich abends die großen Weizen rein und versucht seinen Frust für einige Stunden zu vergessen. Seit über 13 Jahren zahlt er brav den Unterhalt an seine erste Ehefrau. Seine zweite Ehefrau wird auch ihren Unterhalt fordern und bekommen. Claus hat in seinem Leben nichts erreicht, weil er alles in seine Frauen und Kinder investierte. Seine Wünsche hat er selten geäußert und außer Wandern hat Claus keine Hobbys. Er fragt sich, ob das Leben überhaupt noch einen Sinn macht. Er hat seine Frauen stets verwöhnt und sich liebevoll um seine Familie gekümmert. Dennoch haben beide Frauen den Hasenfuß gemacht und saugen seine Geldbörse leer.

Wo soll Claus jetzt wohnen? Er sucht gerade eine kleine Wohnung und mit Hilfe seines Vaters wird das schon irgendwie gehen. Claus ist nicht der energische Mann, der sich seiner Verantwortung entzieht.

Ich kenne Claus seit vielen Jahren und so ein Arschloch wie ich wollte er nie sein. Nun sitzt er mit mir bei einem Weizen im Biergarten. „Ja“, meint er, „Du hattest damals schon Recht, dass ich ein Idiot bin“. Ich sagte ihm bereits vor mehr als 10 Jahren, dass der neue Hengst gefälligst alles zahlen soll und muss. Aber Claus ist eine Lusche und deswegen beglich er immer alle Forderungen seiner Exfrau. Heute weiß Claus, dass er ein Versager ist und sich noch nie den Respekt als Mann verdient hat. Er hat mit seinen 53 Jahren keine Kohle und ist am Ende. Nach seiner Berechnung wird er noch von seiner Rente Unterhalt zahlen. Schöne Urlaube oder ein tolles Auto waren noch nie drin. Wo die Malediven, New York oder Bangkok sind, weiß Claus aus der Schule. Aber er war noch nie dort und wird wohl auch nie dort sein. Er hat kein Geld und wird auch in Zukunft keines haben.

Nach dem dritten Bier sagt Claus, dass ich alles richtig gemacht habe. Scheiß auf Unterhalt, scheiß auf die Weiber. Claus fängt an zu flennen, denn er muss daran denken, wie andere Männer seine Exfrauen aufbocken und ihr Sperma in die Muschi spritzen. Und Claus, der nützliche Idiot, darf deren Leben finanzieren, mehr nicht.

Claus hat seine Lektion gelernt und auf bittere Weise festgestellt, dass Liebe endlich ist und danach stets die Rechnung kommt. Claus wird wohl noch einige Jahre zahlen und vielleicht sogar unter der Zahllast zusammenbrechen. Er ist ein Kandidat für Hartz IV. Sein Leben ist ruiniert. In seinen Träumen möchte er ein Arschloch, aber er kann es nicht, weil er ein Netter ist.


Quelle: Detlef Bräunig: Gerade die netten Männer kriegen einen Tritt in den Hintern, Das Männermagazin am 21. Mai 2014

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